Alle wichtigen Informationen zu Entschädigungen bei Verspätungen von Flügen
Verspätungen sind unangenehm und verursachen bisweilen auch finanzielle Schäden und Ausfälle. Ob nun ein Verkehrsstau, ein Problem im Zugverkehr oder ein verspäteter Abflug – Verzögerungen im Reiseverkehr sind keine Seltenheit und werden nur in wenigen Fällen gleichgültig hingenommen. Speziell Flugreisen, die sich verzögern oder im schlimmsten Fall annulliert werden, sind nur schwer zu kompensieren – meist bietet sich kein alternatives Reisemittel an, welches die Reisestrecke zeitlich adäquat bewältigen könnte.
In Situationen wie diesen verfügen Reisende über gewisse Rechte, die aber nur wenigen bekannt sind. Ebenfalls kann eine Kompensation fällig werden, allerdings wissen sich die Airlines dagegen zu wehren: Mit Erfolg, denn alleine in Österreich werden jährlich über 70 Millionen Euro an Entschädigungen nicht eingefordert bzw. nicht ausgezahlt.
Entschädigungen werden häufig nicht wahrgenommen – warum?
Vielen Flugreisenden ist nicht bekannt, dass laut EU-Fluggastverordnung von 2004 bei Verspätungen, Überbuchungen und Flugannullierungen den Fluggästen bestimmte Entschädigungen gebühren. Nur eine aus zehn Personen kennt die Rechte der Flugreisenden und kann auch eine entsprechende Kompensation einfordern oder entsprechende Rechtsmittel bemühen. Die Wiener Plattform FairPlane hat etwa ermittelt, dass in Österreich jährlich auf Entschädigungszahlungen von über 70 Millionen Euro verzichtet wird (ähnliche Zahlen werden auch für 2015 erwartet).
Diese Zahl ist ein Produkt dieser Unwissenheit sowie der Informationspolitik der Fluglinien. Es ist natürlich nicht im Interesse einer Fluggesellschaft, dass im Entschädigungsfall alle berechtigten Forderungen eingereicht und ausgezahlt werden. So ist es üblich, dass eine Entschädigungsforderung zunächst, nach langer Bearbeitungszeit, standardmäßig abgelehnt wird (in einigen Fällen erhalten Betroffene nicht einmal ein Antwortschreiben). Viele ÖsterreicherInnen geben sich damit zufrieden und verzichten auf weitere Schritte – zumal diese meist rechtlicher Natur wären.
Was ist eine Flugverspätung?
Hinzu kommt ein weiteres Problem – die EU-Fluggastverordnung weist rechtliche Lücken auf, welche nahezu jede Airline gekonnt auszunutzen weiß. So waren etwa Verspätungen bisher nur vage definiert, Entschädigungen waren anfangs hierfür nicht vorgesehen. Daran hat sich einiges geändert, da ein entsprechender Rechtsspruch des Europäischen Gerichtshofes den Fluggästen eine Kompensation bei Verspätung zugesteht. Diese Regelung wurde bereits 2009 durch den EuGH bekräftigt.
Diese drei Komponenten, Unwissenheit, Verschleierungs- und Verschleppungstaktik der Airlines sowie schwammige Gesetztestexte, führten in der Vergangenheit also dazu, dass viele von Verspätungen Betroffene ihre Rechte und Entschädigungen nicht wahrzunehmen wussten und wahrnehmen konnten.
Die EU-Fluggastverordnung – Rechte der Fluggäste
Die EU-Fluggastverordnung wurde seit 2004 mehrfach novelliert, nicht zuletzt aufgrund von Rechtssprüchen des EuGH – Hauptstreitpunkt war meist das Recht auf Entschädigung bei entsprechender Flugverspätung. Bisher konnte ein Fluggast eine Kompensation nur im Falle einer Flugannullierung oder einer Überbuchung problemlos einfordern.
Betroffene Passagiere haben darüber hinaus natürlich auch das Recht auf eine Rückerstattung der bereits bezahlten Reisekosten; die Rückerstattung erfolgt anteilig an den bereits zurückgelegten Reisekilometern (komplett, sofern die Reise nicht angetreten werden konnte oder Grund / Zweck der Reise obsolet ist).
Für wenn bzw. welche Flugreisen gilt die EU-Fluggastverordnung?
Grundsätzlich fallen folgende Flüge unter den Schutzschirm der EU-Fluggastverordnung:
- Alle Flüge, die von einem Flughafen eines EU-Mitgliedstaates aus starten
- Alle Flüge aus Drittländern, die als Ziel einen Flughafen eines EU-Mitgliedstaates haben und sofern die Airline ihren Sitz innerhalb der EU hat. Dabei werden Hin- und Rückflug jeweils separat, als einzelner Flug behandelt.
Anspruch bei annulliertem Flug
Wird ein Flug abgesagt, können folgende Flugentschädigungen eingefordert werden:
- Bei Flügen bis 1500 km – 250 €
- Bei Flügen über 1500 km innerhalb der EU – 400 €
- Bei Flügen von 1500 km bis 3500 km nicht innerhalb der EU – 400 €
- Bei Flügen über 3500 km nicht innerhalb der EU – 600 €
Neben der Entschädigung sind die Airlines verpflichtet, folgende Leistungen kostenlos zu erbringen:
- Rückerstattung des Ticketpreises (gesamt oder anteilig für die nicht konsumierten Reisekilometer)
- Anderweitige, schnellstmögliche Reiseoption zum dokumentierten Reiseziel
- Umbuchung zu einem späteren, aber geeigneten Zeitpunkt
Je nach Wartezeit:
- Mahlzeiten und Erfrischungen
- Hotel für Übernachtung
- 2 Telefonate, Emails, Faxe oder Telexe pro Passagier
Natürlich gibt es Ausnahmen, welche die Fluglinien von diesen Entschädigungen befreien. Diese Ausnahmen lauten wie folgt:
- Flugabsage bedingt durch politische Unruhen, Terrorbedrohung, meteorologische Behinderungen
- Annullierung des Fluges bis zu zwei Wochen vor Abflugtermin
- Annullierung zwischen zwei und einer Woche vor Abflugtermin und entsprechendem Ersatzangebot – der Ersatzabflug darf nicht mehr als zwei Stunden vor dem eigentlichen Termin liegen, die Ankunft am Zielort darf gegenüber der ursprünglichen Ankunftszeit nicht mehr als vier Stunden verspätet sein.
- Annullierung in der letzten Woche vor Abflug und entsprechendem Ersatzangebot – der Ersatzabflug darf nicht mehr als eine Stunde vor dem eigentlichen Termin liegen, die Ankunft am Zielort darf gegenüber der ursprünglichen Ankunftszeit nicht mehr als zwei Stunden verspätet sein.
Anspruch bei Überbuchung
Trifft im Falle einer Überbuchung die Fluggesellschaft die Entscheidung, wer den Flug nicht antreten darf, stehen den betroffenen Fluggästen folgende Entschädigungen zu:
- Bei Flügen bis 1500 km – 250 €
- Bei Flügen über 1500 km innerhalb der EU – 400 €
- Bei Flügen von 1500 km bis 3500 km nicht innerhalb der EU – 400 €
- Bei Flügen über 3500 km nicht innerhalb der EU – 600 €
Auch hier müssen bei Wartezeiten entsprechende Hotelzimmer für Übernachtungen, Mahlzeiten und Erfrischungen sowie wie Telefonate bzw. anderweitige Kommunikationsmöglichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Ebenso müssen, wie im Falle der Annullierung, die Ticketkosten adäquat rückerstattet sowie alternative, akzeptable Reiseoptionen angeboten werden.
Zur Erläuterung: Die Fluggesellschaft muss im Falle einer Überbuchung zunächst die Fluggäste befragen, ob jemand freiwillig von diesem Flug zurücktritt und einen Ersatztermin / Ersatzflug akzeptiert. Sollten sich zu wenige Reisende dazu bereit erklären, muss die Gesellschaft Passagiere auswählen – diese können nun auf eine Kompensation pochen.
Verspätung – Ansprüche an die Airline
Wie bereits erwähnt, ist bis dato eine finanzielle Entschädigung bei Flugverzögerungen für Einzelpersonen nur schwer zu erreichen. Allerdings hat der Reisende die Möglichkeit, ab einer Flugverspätung von 5 h von der Flugreise zurückzutreten – die Fluggesellschaft muss in diesem Fall den vollen Ticketpreis zurück zahlen. Ebenfalls können Entschädigungen, im selben, finanziellen Umfang wie bei einer Annullierung oder Umbuchung, ab einer Verspätung von drei Stunden geltend gemacht werden.
Zusammengefasst:
- Ab dreistündiger Verspätung sind Entschädigungen fällig
- Ab fünfstündiger Verspätung kann der Fluggast von der Buchung zurücktreten
Sonderfall Pauschalreise
Tritt einer der bereits beschriebenen drei Fälle im Zuge einer Pauschalreise ein, sollte zunächst der Reiseveranstalter, das entsprechende Reisebüro, kontaktiert werden. Von Stornierungen oder Rücktritten einer Flugbuchung ist abzuraten, sofern nicht alle Details mit dem Veranstalter geklärt wurden.
Grundsätzlich kann bei Verspätungen ab vier Stunden eine Reisepreisminderung eingefordert werden, Stornierungen sind nicht immer kostenlos. Das Konsumentenschutzgesetz ist hier bisweilen nicht klar geregelt und bietet Interpretationsspielraum: Grundsätzlich richtet sich die Höhe der Entschädigung bzw. ob eine Entschädigung fällig wird danach, ob die Verzögerung geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist.
Flugverspätung bei einer Pauschalreise
Hier wird also im Einzelfall entschieden. Eine geringfügige Verzögerung wäre unter Umständen eine Reiseverzögerung von einem Tag, bei einer Reisebuchung von drei Wochen (speziell bei Badeurlaub). Ergeben sich hieraus keine weiteren, zeitlichen Probleme am Zielort, ist von einer Geringfügigkeit auszugehen. Anders gelagert wäre die Situation, wenn es sich im gleichen Falle (1 Tag Verzögerung) um einen Wochenendreise handelt.
Muss im Übrigen die Reise durch den Reiseveranstalter aufgrund der Flugabsage ebenfalls abgesagt werden, kann der Reisende keine Schadensersatzforderungen an den Reiseveranstalter richten.
Kein Geld von der Fluggesellschaft – was tun?
Leider ist es an der Tagesordnung, dass Fluggesellschaften bei Flugverspätung und entsprechenden Entschädigungsforderungen mit Antworten und Zusagen lange auf sich warten lassen. In der Regel werden diese Forderungen in erster Instanz abgelehnt – die Erfahrung zeigt, dass viele Flugreisende es dabei belassen. Immer wieder reagieren Fluglinien auch gar nicht auf entsprechende Ansuchen.
Die Erklärungen der Fluglinien sind meist gleich gestrickt: „Aufgrund von außergewöhnlichen Umständen musste der Flug annulliert werden / kam es zu Verspätungen“. Außergewöhnliche Umstände sind allerdings klar geregelt und lauten wie folgt:
- Blitzschlag
- Versteckte Herstellerfehler
- Sperre eines Flughafens
- Schlechtes Wetter (Unwetter, Schneetreiben usw.)
- Streik
- Vogelschlag
Sollte einer dieser Punkte zutreffend sein, ist die Airline tatsächlich von der Pflicht der Entschädigungszahlung befreit.
Technische Probleme?
Technische Probleme werden sehr häufig als Grund für Verzögerungen angeführt, gelten diese allerdings als außergewöhnliche Umstände? Nein, sofern sie nicht die obigen Kriterien erfüllen. Ein Großteil aller technischen Probleme fällt Zulasten der Fluggesellschaften, somit sind diese auch zu Entschädigungszahlungen verpflichtet. Hierzu zählt auch ein Defekt im Bereich der Gepäckbeförderungsanlagen.
Rechtliche Schritte und Möglichkeiten
Die Fluggesellschaften profitieren in erster Linie von der Hilflosigkeit und Unwissenheit der Fluggäste. Abgelehnte Forderungen werden nur selten bis zum Ende durchgefochten, da vor allem Privatpersonen vor rechtlichen Schritten zurückschrecken bzw. ihre rechtlichen Möglichkeiten schlichtweg nicht kennen.
Sollte die Fluglinie die Entschädigung verweigern, sind folgende Schritte zu empfehlen:
- Kontaktieren Sie Konsumentenschutzorganisationen oder die Arbeiterkammern
- Nutzen Sie die Möglichkeit, Ihre Ansprüche online zu prüfen – Plattformen wie FairPlane sind hierauf spezialisiert und geben verlässlich Auskunft
- Bitten Sie einen Rechtsanwalt aus dem Bereich Konsumentenschutz um Auskunft
Sollten Sie Ihr Recht gegen Bezahlung einfordern müssen, achten Sie darauf, dass Ihnen keine Mehrkosten entstehen. Ist der Fall klar und die Fluggesellschaft wollte Sie schlicht weg „abwimmeln“, wird diese einen Rechtsstreit vermeiden wollen. Sie erhalten Ihre Entschädigung und müssen unter Umständen hierfür ein geringes Entgelt entrichten.
In erster Linie gilt aber Folgendes: Beharren Sie auf Ihrem Recht auf Entschädigung – 70 Millionen Euro, die Jahr für Jahr nicht ausgezahlt werden, zeigen, dass diese verschleierte Form des Betruges Methode hat und sich für die Fluglinien mehr als nur lohnt. Belassen Sie es dabei, verzichten Sie auf Geld, auf bis zu 600 Euro, die Ihnen laut EU-Fluggastverordnung zustehen.